Archiv des Autors: Henke

Enteignung statt Bodenreform?

http://www.svz.de/mv-uebersicht/mv-wirtschaft/das-papier-strotzt-vor-fehlern-und-unkorrektheiten-id9051786.html

Wie überall in Deutschland tauchen ständig selbst ernannte Agrarexperten auf, um gegen die moderne und ihrer Meinung nach industrialisierte Landwirtschaft zu hetzen. In der Regel treffen sie aber genau die Betriebe, die sie zu schützen vorgeben: die bäuerlichen Familienbetriebe. Mecklenburg-Vorpommern ist dabei wohl eines der Länder,  in denen diese Leute zu Hauf das als Anschauungsmaterial finden, was sie für ihre Argumentation brauchen: Echte industrielle Groß- und Größtbetriebe, die vielfach eins zu eins in die Fußstapfen der vormaligen LPGen aus DDR-Zeiten getreten sind (siehe Agrarkartelle in Ostdeutschland).

Gerade die bäuerliche Landwirtschaft freut sich, wenn es in wenigen seltenen Fällen einmal vorkommt, daß sich die zuständigen Landwirtschaftsminister gegen die zweifelhaften Forderungen verschiedener Grüppchen und Gruppierungen aussprechen, statt sie mitzutragen. Im Fall Mecklenburg-Vorpommerns, mit seinem SPD-Landwirtschaftminister Till Backhaus hingegen kann einem nur noch schlecht werden. Seiner Meinung nach kämen solche Forderungen (begrenzen von Subventionen, Obergrenzen in der Tierhaltung …) einer Enteignung gleich und würden die Bodenreform in Frage stellen! Zur Erinnerung: durch die Bodenreform wurden zwischen 1945-1949 Bauern zu tausenden von ihrem Höfen vertrieben und enteignet, in vielen Fällen wurden sie gefoltert und ermordert. Aus deren Ländereien entstanden später die LPGen, die Herr Backhaus hier in Schutz zu nehmen versucht. Die rechtmäßigen Eigentümer und ihre Erben durften ihr eigenes Land nach der Wiedervereinigung nichteinmal aus dem Staatsbesitz wieder kaufen, während es windige Agrarinvestoren und vor allem die Funktionäre mit SED-Vergangenheit über Jahre hinweg für Spottpreise zugesprochen bekamen. Einige Historiker sprechen zu Recht von dem größten deutschen Verbrechen der Nachkriegsgeschichte, welches nicht grundlos von Politik und Medien bis heute totzuschweigen versucht wird. Nun ist es Herrn Backhaus sogar als Argument gegen die Forderungen vermeintlicher Experten gut genug. Die Rückübertragung von gewaltsam gestohlenem Eigentum sei also seiner Meinung nach die eigentliche Enteignung und Unrecht überhaupt in Frage zu stellen ein Vergehen? Vielleicht sollte man den Ursprung eines solch verzerrten Weltbildes auch in der Vergangenheit, nämlich von Herrn Backhaus suchen, denn dieser war selbst LPG-Funktionär in Neuhaus (Niedersachsen), das seinerzeit noch zu Mecklenburg-Vorpommern gehörte.

Agrarkartelle in Ostdeutschland

Vor 25 Jahren war es Winter in Deutschland und der Schnee lag über dem noch jungen Weizen. Doch gerade in den östlichen Teilen der Bundesrepublik war etwas anders als sonst, denn es war der letzte Weizen, der in der noch existierenden DDR geerntet werden sollte. Nicht nur marode Bausubstanz und Industrie markierten den Unterschied zwischen Ost und West, es waren genauso die riesigen Äcker, die von industriell organisierten LPGen bewirtschaftet wurden und sich so sehr von der bäuerlichen Struktur Westdeutschlands absetzten. Das Land, auf dem diese Kolchosen wirtschafteten, war zum einen Teil blutig geraubt , zum andern Teil samt der Bauern, die auf ihm saßen, versklavt worden.

Nicht umsonst ging daher bei vielen die  Hoffnung mit der politischen Wende einher, dass dieser Zustand nicht länger anhalten würde. 25 Jahre danach sieht die Bilanz ernüchternd aus: die riesigen Äcker sind geblieben, genauso wie die Produktionsgenossenschaften, die auf ihnen wirtschaften. Selbst die Köpfe, die sie leiten, sind in den vielen Fällen die gleichen wie vor 25 Jahren. Es ist ein dunkles Kapitel der Wiedervereinigung, das man gerne tot zu schweigen versucht.

Ausgerechnet die links-grüne TAZ hat sich nun dieses Themas angenommen und zeigt in ihrem Artikel „Agrarkartelle in Ostdeutschland“ schonungslos, was sonst gerne vertuscht wird.

http://taz.de/Agrarkartelle-in-Ostdeutschland/!139358/

 

Der 20. Juli, die Bundesrepublik feiert den Sieg über alle Widersacher

Zum siebzigsten Mal jährt sich dieses Jahr der versuchte und gescheiterte Umsturzversuch vom 20. Juli 1944. Seit 1963 steht dieser Tag auch im offiziellen Kalender der Bundesrepublik, doch bis heute, so scheint es, haben vor allem die politischen Eliten unseres Landes ein sehr gespaltenes Verhältnis zu den Vorgängen und Akteuren desletzten und bedeutendsten Aufstandes gegen Hitler.

 

Auf dem Gebiet der ehemaligen DDR war es von Beginn an quasi Staatsraison, dass(Groß)Bauern, Gutsherren, Unternehmer und einige mehr, diejenigen gewesen seien, die Hitler in den Sattel gehoben hätten. Genau diese Argumentation diente dann auch direkt nach dem Krieg den deutschen Kommunisten als moralische Rechtfertigung für Raub, Vertreibung, Gewalt bis hin zum Mord an eben diesen politisch unerwünschten Bürgern. Dass sich unter den pauschal verurteilten Hauptkriegs- und Naziverbrechern neben den mehrheitlich völlig Unbescholtenen auch reihenweise Angehörige derer befanden, die rund um die Ereignisse des 20. Juli von den Nazis gefoltert und gemordet wurden, passte um so besser ins Kalkül, weil die neuen Machthaber mit Sicherheit davon ausgehen konnten, daß diese  sich auch gegen die nächste sozialistische Diktatur auflehnen würden, wenn man ihnen auch nur die kleinste Möglichkeit dafür lassen würde. Auch darf nicht vergessen werden, dass eben auch die Familien auf Grund der von den Nazis und später auch von den Kommunisten praktizierten Sippenhaft kaum mildere Schikanen zu ertragen hatten.

 

Es war eine bewusste Entscheidung der schwarz-gelben Bundesregierung 1989/90, das himmelschreiende Unrecht des DDR-Regimes weitestgehend auf sich beruhen zu lassen, was einer moralische Absolution des kommunistischen Weltbildes und der aus ihm resultierenden Verbrechen gleichkam. Die Überzeugung, der deutsche Adel, Großbauern und Industrielle seien Schuld am Aufstieg der Nazis, setzte sich dadurch auch in Westdeutschland zunehmend durch. So wird der Zugang der „Eliten“ in Politik und Medien des heutigen Deutschlands zu dem bekanntesten Widerstandsereignis der Nazizeit immer schwieriger, bestand doch der Kreis der Beteiligten fast vollständig aus Offizieren, aus Adeligen, aus Söhnen von Grundbesitzerfamilien. Es scheint unserem heutigen politisch-medialen Personal unmöglich die Realität des 20. Juli mit dem eigenen Weltbild in Einklang zu bringen. Ein Weltbild, in dem die Helden des Widerstands entsprechend der eigenen Stereotypen eigentlich die Nazitäter sein müssten Es ist schon fast davon auszugehen, dass genau diese Denkweise in den Tagen der Wiedereinigung bereits latent in den Köpfen unserer politischen Führung verankert war, egal wie „liberal“ oder „konservativ“ sie sich selbst bezeichnete. Anders ist die Entscheidung der Bundesregierung, das gestohlene Eigentum, eben auch vieler Widerstandskämpfer, aus dem Bundesvermögen meistbietend zu verkaufen, anstatt es den rechtmäßigen Eigentümern bzw. deren Erben zurückzugeben, nicht zu verstehen. Als Rechtfertigung wurde damals, man höre und staune, angeführt, dass die Maßnahmen gegen Nazi- und Kriegsverbrecher nicht angetastet werden dürften. Die Sippenhaft, unter denen die Angehörigen der Verschwörer in den letzten Monaten des Dritten Reiches noch massiv zu leiden hatten, deretwegen sie danach von deutschen Kommunisten aus ihrer Heimat verjagt wurden, wurde nun 45 Jahre nach ihrer offiziellen Abschaffung erneut gegen sie ausgesprochen. Weil sie Erben angeblicher Naziverbrecher seien, wurde ihnen die Rückkehr in ihr Zuhause verwehrt.

 

Für die Angehörigen und wenigen Überlebenden der Beteiligten des 20. Juli war dies ein brutaler Schlag ins Gesicht. 1996 sagten Hans Albrecht von Boddien und Philipp von Boeselager als zwei der letzten Überlebenden ihre Teilnahme an der offiziellen Gedenkfeier ab, wozu von Boddien in einem offenen Brief erklärte (http://www.focus.de/politik/deutschland/widerstand-strafe-fuers-ueberleben_aid_162319.html): „Als einer der wenigen am Leben gebliebenen und heute noch lebenden aktiven Teilnehmer des 20. Juli 1944 empfinde ich es als unerträgliche Mißachtung unseres Widerstandes gegen Nazigewalt und -unrecht, daß die derzeitige Regierung [Kohl] sich anmaßt, den aus dem deutschen Osten stammenden Widerständlern als „besonderen Dank für den selbstlosen Einsatz“ Familienbesitz, die geliebte Heimat mit Haus und Hof zu rauben und zu verscherbeln…“

Bereits 1993 starb mit Axel von dem Bussche ein anderer Überlebender des 20.Juli, der ebenfalls seines Erbes beraubt, resigniert nach erfolglosen Klagen gegen die Bundesrepublik, als letzte Worte gesprochen haben soll, dass er sich schäme einen deutschen Pass in der Tasche zu haben. Für ein solches System habe er nicht sein Leben riskiert!

 

Seit einigen Jahren wurde unter der Regierung Merkel das feierliche Gelöbnis der jungen Soldaten des Wachbataillons vom Bendlerblock weg, vor den Reichstag verlegt. Vielleicht mag der Platz optisch ansprechender sein als der enge Innenhof des schlicht gehaltenen Gebäudekomplexes, doch wird die Feier damit auch vom Ort des Geschehens – der Gedenktafel an der Wand, an der der engste Verschwörerkreis noch in der Nacht zum 21.Juli standrechtlich erschossen wurde – weg zum Ort der politischen Entscheidung gelegt. Das ist schon ein mehr als symbolischer Akt, der die Akteure und ihr auf ihrem Gewissen beruhendes Handeln in den Hintergrund schiebt und dafür den Gehorsam der Armee gegenüber der Politik in den Vordergrund stellt. Die Botschaft dieses Gedenktages wird damit zunehmend negiert.

 

Diese Entleerung des Inhalts und die Tatsache, dass die Erben der Widerstandskämpfer bis heute wie zu Zeiten der Sippenhaft als Verbrechererben gebrandmarkt werden, lässt immer mehr den Eindruck aufkommen, dass alljährlich am 20. Juli nicht der versuchte, sondern der gescheiterte Widerstand gefeiert wird. Statt einer auf halbmast stehenden Trauerbeflaggung, die zum Gedenken an die ermordeten Helden des Widerstands anregen würde, suggeriert die Vollbeflaggung geradezu einen Triumph, den Sieg über alle Widersacher. Ein Sieg über alle, die sich als freie Menschen ihrem Gewissen gegenüber verantwortlich gefühlt und entsprechend diesem Gewissens bis in die letzte Konsequenz gehandelt haben.

Nach 1944 unter den Nazis und 1945 unter den Kommunisten wurden die letzten Überlebenden und Erben der Widerstandskämpfer 1990 durch die schwarz-gelbe Bundesregierung ein drittes Mal bestraft, indem man ihr Erbe vor ihren eigenen Augen öffentlich zum Verkauf stellte und dabei nicht selten auch Familien bekannter, echter Naziverbrecher den Zuschlag gab. Spätestens seit dieser politischen Entscheidung ist der 20. Juli zu einer Farce sondergleichen verkommen. Wer die offiziellen Veranstaltungen zu diesem Gedenktag verfolgt, sollte sich bewusst sein, dass die Bundesrepublik sich an diesem Tag vielleicht unbewusst, aber dennoch stolz als Vollstrecker national-/sozialistischer Verbrechen präsentiert.